Sasha Amaya
»Neophytes«

Drei Hintergleisflächen und ein freistehendes Display am U-Bahnhof Franz-Neumann-Platz (U8)
 
100 Päckchen mit Saatgut zur Mitnahme bei lokalen Anbieter_innen, mit einem Essay der Künstlerin
 
www.neophytes.cargo.site
 
 
In »Neophytes« richtet SASHA AMAYA den Blick auf das pflanzliche Lebens und untersucht das Verständnis für die verschiedenen Vorgehensweisen, die Pflanzen verfolgen, wenn sie in einem neuen Land ankommen. Von Assimilation über Dominanz bis hin zu Subversion reflektiert »Neophytes« die Strategien, die wir – als Menschen und als Pflanzen – in unseren Beheimatungsprozessen aufgreifen. Mittels Collage, Text und Aussaat stellt die Arbeit Fragen über die Beziehungen zwischen Pflanzen, Migration, Heimisch-Werden und Akzeptanz.
 
Als Neophyt wird eine Pflanzenart bezeichnet, die in einer geografischen Region nicht als heimisch gilt, da sie erst in jüngerer Zeit eingeführt wurde. Das Wort wurde vor dem 19. Jahrhundert nur selten verwendet, bis Westeuropa von einer Leidenschaft für Kategorisierung und Hierarchisierung ergriffen wurde. Mit einer Erforschung der auffallend trennenden Sprache, die in manchen Kontexten verwendet wird, um über Pflanzen und Migration nachzudenken und sie zu beschreiben, möchte das Projekt ein Gespräch über die Worte und Konzepte anregen, die wir verwenden, um uns gegenseitig und die Welt um uns herum zu klassifizieren. Über die Metapher der Pflanzen lädt das Projekt die Betrachter_innen dazu ein, Wege der Verpflanzung, Veränderung und Anpassung innerhalb ihres eigenen Lebens und ihrer Gemeinschaften zu betrachten, ebenso wie die verwobene und nicht einfache Beziehung zwischen menschlicher und pflanzlicher Migration, Überleben und Erfolg.
 
Die drei digitalen Collagen, die in der U-Bahnstation Franz-Neumann-Platz ausgestellt sind, bauen auf einer Gegenüberstellung des Gewohnten und Vertrauten mit dem Fremdartigen und Skurrilen auf. Mit populären Redewendungen, Bildern aus der Popkultur sowie der Pflanzenwelt adressieren die Arbeiten kulturelle Bezüge und Spannungsverhältnisse, um zu hinterfragen, was es bedeutet, zu einem bestimmten Ort zu gehören oder an diesem heimisch zu sein. Im Mittelpunkt des ersten Posters steht die Trauerweide. Von Ostasien aus über alte Handelswege verbreitet, lernten die Westeuropäer_innen den heute berühmten Baum erst in den letzten Jahrhunderten kennen. Seit hunderten von Jahren wird die Trauerweide zur Holzgewinnung und zur Errichtung von Windschutzstreifen sowie in jüngerer Zeit auch für Wasserreinigungsprojekte verwendet. Die zweite, zentrale Collage zeigt Roggen, ein Banner mit der Aufschrift REFUGEES WELCOME und mehrere Deutsche Schäferhunde. In Nordosteuropa als Grundnahrungsmittel etabliert, ist Roggen eine Kulturpflanze, die in weiten Teilen Europas und Eurasiens wachsen kann und auf eine lange Geschichte zurückblickt, in der viele Kulturen und Völker mit ihr versorgt wurden. Das dritte Poster konzentriert sich auf den trockenheits- und verschmutzungsresistenten Türkischen Haselnussstrauch, der in Berlin häufig vorkommt. Während die Türkei nach wie vor der Hauptproduzent und Deutschland der Hauptverbraucher von Haselnüssen ist, spielen die meisten der Türkischen Haselnussbäume in Berlin keine landwirtschaftliche Rolle.
 
Ein QR-Code lädt die Besucher_innen dazu ein, Amayas Essay zu lesen und Saatgutpakete mitzunehmen, die an verschiedenen Stellen in der Nachbarschaft platziert sind. So wird zu einer Bepflanzungsaktion eingeladen, die das Pflanzenleben und die Entwicklung der Gemeinschaft fördert und menschliche und nichtmenschliche Migrationsstrukturen reflektiert.
 
 
SASHA AMAYA ist eine Künstlerin, die in den Bereichen Tanz, Choreografie, Installation und Raumgestaltung arbeitet. Unter Verwendung von Formaten aus den Bereichen Musik, Bewegung, Tanz, Kunstgeschichte, Collage, Text und Architektur ist Amaya besonders daran interessiert zu verstehen, wie wir historische Erzählungen und Techniken in zeitgenössischen Kunstwerken einrahmen, nutzen, ablehnen und neu verwenden. Sie hat einen Master of Philosophy in Architektur und Urbanistik von der University of Cambridge (Großbritannien) und ein Post-Masters-Zertifikat vom Royal Institute of Art, Stockholm. Zuletzt wurde Amayas performative und künstlerische Arbeit ausgestellt in: Sophiensaele, Berlin (2020); LAKE Studios, Berlin (2020, 2019, 2018); L’Abbaye de Royaumont, Asnières-sur-Oise (2020); fabrik Potsdam (2020, 2017); Cité Internationale des Arts, Paris (2020); Somerset House, London (2020, 2016); Birkbeck College, London (2020); Haus der Kulturen der Welt, Berlin (2018); Uferstudios, Berlin (2017). Interessiert an der Beziehung zwischen künstlerischen und öffentlichkeitswirksamen Interventionen, gründete und betreut Amaya MVT, eine Online-Plattform, die Arbeiten an der Schnittstelle von Landschaft, Kunst und Architektur präsentiert (seit 2015).